Der doppelte Neuanfang

15.09.2019 12:32

Der doppelte Neuanfang

Petar Pusic ist erst 20 Jahre alt – aber beim Grasshopper Club Zürich bei dessen Neuanfang in der Challenge League eine durchaus wichtige Figur. Die aktuelle Saison in der zweithöchsten Spielklasse tut ihm gut, aber natürlich will er für seine spätere Karriere noch viel mehr.

Petar Pusic ist ein ehrgeiziger junger Mann. Und das ist schon immer so gewesen. «Als bei Konditionstests bei der U13 die ersten Spieler bei einem gewissen erreichten Wert ausstiegen, da wollte ich immer noch mehr.» Die Lust an Leistung spiegelt sich auch bei Leistungsmessungen, die er mittlerweile als professioneller Fussballspieler im Verein und im Rahmen des SFV-Förderprogramms «Footuro» ablegt. Pusic liefert regelmässig Spitzenwerte ab, obwohl er nicht der grossgewachsenste Spieler ist, ist sein physisches Gesamtpaket ein eindrückliches. Der Sommer 2019 war turbulent. Sein Verein, der Grasshopper Club Zürich, musste nach vielen personellen Veränderungen am Ende der Saison nach 70 Jahren den Abstieg in die Challenge League hinnehmen. Natürlich schmerzt ein Abstieg jeden Sportler, aber Pusic sagt auch: «Es hat sich abgezeichnet, dass es irgendwann passieren muss. Und für GC ist es vielleicht besser, einen kompletten Neuanfang zu machen.»

«Ich bin ein GC-Kind»
Dieser Neuanfang ist erfolgt, und Petar Pusic steht mittendrin. Zweieinhalb Jahre sind seit seinem Debüt für GC in der Super League vergangen, am 11. Februar 2017 erlebte er bei der 0:3-Niederlage seine Premiere. Der Schnupperkurs in der höchsten Schweizer Liga sollte schneller beendet sein als erhofft. Den Rest der Saison verbrachte er wechselweise in der U21 oder in der U18 des Clubs. Der Durchbruch in der ersten Mannschaft musste noch etwas warten. Ein halbes Jahr später gelang er im zweiten Anlauf, immer häufiger kam er nun zu Teileinsätzen, im späteren Verlauf der Saison stand er auch regelmässiger in der Startaufstellung. Heute blickt er auf 49 Spiele in der Super League zurück – und er hätte sich nach dem Abstieg auch fragen können: «Muss das jetzt wirklich sein?» Doch er sah im Abstieg nicht nur für den Verein, sondern auch für sich selbst eine Chance. «GC ist ein Teil meines Lebens, ich bin ein GC-Kind. Und ich kann hier direkten Einfluss nehmen, dass der Club wieder erfolgreich ist.» Und er kann hier an Konstanz, Statistik und Leistungswerten arbeiten. Dies sieht er durchaus auch als Vorteil für seine künftige Karriere, gerade im Zusammenhang mit dem U21-Nationalteam. «Es ist sicher besser, in der Challenge League regelmässig eingesetzt zu werden, als in der Super League selten oder gar nicht.» Pusic ist Nachwuchs-Nationalspieler seit der U15. Er hat alle Auswahlen durchlaufen, dort auch Tore erzielt. Beim Schweizerischen Fussballverband war er früh auf dem Radar und davon nie verschwunden. Als das Schweizer Fernsehen im Jahr 2017 die Sendung «Morgen sind wir die Champions» ausstrahlte, die einen tiefen Einblick in die Nachwuchsausbildung von Spitzenfussballern in der Schweiz ermöglichte, war Pusic einer der Protagonisten. An seinem Beispiel wurde auch das Spannungsfeld aufgezeigt, das ein junger Fussballer durchlebt, gerade am Sprung in die erste Mannschaft, mit Rückschlägen, der zeitlichen Belastung mit der parallel verlaufenden Ausbildung.

Die abgeschlossene Ausbildung
Pusic absolvierte an der United School in Zürich eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete regelmässig im Lehrbetrieb, der ISS Facility. Jene Zeit stellt höchste Ansprüche an ein Talent – allein die Fahrwege zu Schule, Ausbildungs- und Trainingsplatz fressen täglich ein paar Stunden weg. «Er wird fast erdrückt vor Last», sagte damals SFV-Nachwuchstrainer Reto Gertschen. Und in der Tat war die Zeit damals keine einfache. «Ich habe mir selbst keinen grossen Druck gemacht. Es war damals einfach eine schlechtere Phase, das gibts. Hohe Erwartungen wurden vor allem von aussen geschürt.» Seit 2018 ist die Ausbildung abgeschlossen, Pusic kann sich auf den Fussball konzentrieren, der Erholung genügend Raum geben und weiter an seiner Entwicklung arbeiten. Dass er über derart eindrückliche Fitnesswerte verfügt, spricht er nicht allein dem Training zu. Genauso wichtig seien die Ernährung und die Regeneration. «Ich achte auf meinen Körper.» Der Ehrgeiz, immer ein bisschen mehr zu leisten als andere, das sei in ihm drin. Die Saison mit den Grasshoppers hat vielversprechend begonnen. Der Verein hat vor der Spielzeit defensiv kommuniziert, Pusic schätzt das. «Es ist gut, wenn nicht zu viel Druck aufgesetzt wird. Aber letztlich stehen wir alle auf, um Ziele zu erreichen.» Und die Qualität von GC, das hat er bald erkannt, ist hoch genug, um in der Aufstiegsfrage eine Rolle zu spielen. «Wir sind ein stabiles Team und die Stimmung ist wieder positiv.» Ohne überheblich klingen zu wollen, räumt er auch sich selbst eine höhere Position in der teaminternen Hierarchie ein. «Ich muss und will mehr Verantwortung tragen.» Sein neuer Status lässt sich leicht an der Einsatzstatistik der ersten Runden ablesen. In den vier ersten Partien der Challenge League spielte er über die volle Distanz, ihm gelangen ein Tor und zwei Assists. Bei Uli Forte ist seine Position ebenso geklärt, er steht klar im Mittelfeld und nicht mehr wie manchmal in der Vergangenheit in der Verteidigungsreihe.

Von den Degens beraten
Seit zwei Jahren lässt er sich von der Agentur der ehemaligen Nationalspieler Philipp und David Degen beraten, zu der auch Baykal Bellusci gehört. «Mit ihm habe ich einen fast täglichen Austausch. Meine Anliegen werden sehr ernst genommen. Der Kontakt ist sehr eng, was es selten gibt in dieser Branche.» Petar Pusic hat kroatische Wurzeln und ist mit seiner Familie in Schaffhausen aufgewachsen. Bei Sporting und beim FC Schaffhausen machte er seine ersten fussballerischen Schritte. Sein Talent führte ihn schon früh, mit zwölf Jahren, in die Nachwuchsabteilung des Grasshopper Club. Dort verbrachte er seine Jugend, trainierte und wohnte während seiner Ausbildung auch auf dem Campus. Mit dem Abschluss ist er nach Schaffhausen zurückgekehrt und kann seit der erfolgreichen Autoprüfung pendeln. Einen Wegbegleiter hat er in diesem Sommer verloren. Nedim Bajrami, mit dem seine Karriere über viele Jahre parallel verlief, hat sich zu einem Wechsel ins Ausland entschieden und spielt in der neuen Saison für den FC Empoli, der eben in die Serie B abgestiegen ist. «Ich kenne seine Qualitäten und natürlich war er ein wichtiger Bestandteil im Gefüge von GC. Aber er hat sich für diesen Weg entschieden und ich hoffe, dass er sich durchsetzt. Aber es ist im Fussball eben so, dass sich gemeinsame Wege manchmal trennen.»

Die U21-EM-Kampagne
Bei GC spielt er mit der Nummer 66. Es ist der Jahrgang seines Vaters, der eine wichtige Bezugsperson in seiner Entwicklung war. «Wenn ich die Zahl umdrehe, kommt mein Jahrgang 99 heraus.» Pusic überlässt eben nicht gerne Dinge dem Zufall. Er ist ehrgeizig und arbeitet beharrlich an seinen Zielen. Zu diesen gehört auch eine erfolgreiche Kampagne mit der Schweizer U21-Nationalmannschaft, die Anfang September gegen Liechtenstein in die Qualifikation für die EURO 2021 startet. Schlüsselspiele werden jene gegen Frankreich sein. Eine Qualifikation wäre durchaus auch im Sinne des SFV, der sich mit seiner ältesten Nachwuchsauswahl seit dem hervorragenden Turnier 2011 in Dänemark, als man erst im Final von Spanien gebremst wurde und sich für die Olympischen Spiele 2012 in Grossbritannien qualifizierte, nie mehr für eine Endrunde empfehlen konnte. Mit Spielern wie Eray Cömert, Kevin Rüegg, Nedim Bajrami, Noah Okafor, Ruben Vargas und – eben – Petar Pusic soll unter Mauro Lustrinelli wieder einmal ein Anlauf gelingen. Dass man sich durchaus auf Augenhöhe mit Topnationen bewegen kann, bewies Petar Pusic letztes Jahr mit der U20-Auswahl. In der Länderspielserie gelangen ihm beim 2:3 gegen Deutschland und beim 1:1 gegen Portugal gleich drei persönliche Tore.

(Rotweiss/ds)