Julia Schnarrenberger: Rehabilitation statt EURO

15.05.2018 00:00

Julia Schnarrenberger: Rehabilitation statt EURO

Die 17-jährige Julia Schassberger riss sich drei Monate vor der U-19-Frauen-Europameisterschaft in der Schweiz das Kreuzband und wird das Turnier verpassen. Die Footura-Spielerin des SFV hat trotzdem die Weichen gestellt für eine Karriere im Spitzenfussball.

Julia Schassberger ruft aus der Hirslanden Klinik Permanence in Bümpliz an. Der Grund für ihren Aufhalt ist kein erfreulicher, am Vortag liess sich die 17-jährige Abwehrspielerin des BSC Young Boys und des Schweizer U21-Nationalteams am Knie operieren. Es war am 15. April auf dem Sportplatz Wyler in Bern. Die YB-Frauen schickten sich gerade an, dem Leader FC Zürich Frauen Punkte abzunehmen, sie führten mit 1:0. Dann kam die 66. Minute, Julia Schassberger eroberte in einem Zweikampf den Ball, doch gleich danach knickte sie ein, das Knie schmerzte. Zwei Tage später war nach einer MRI-Untersuchung die Diagnose Tatsache. Schassberger hatte sich das vordere Kreuzband gerissen, dazu war der Meniskus beschädigt.

Unerwartete Verletzung

Eine Operation war unumgänglich, sie erfolgte am 25. April. Nun beginnt die Zeit der Rehabilitation, das lange Warten auf das Comeback. Natürlich kommt eine Verletzung immer zur Unzeit, doch für Julia Schassberger ist der Zeitpunkt noch eine Spur ungünstiger. Sie hatte eben ihr schulisches und fussballerisches Leben neu geordnet, sie war mit dem U-19-Nationalteam auf dem Weg zur EURO im eigenen Land im kommenden Sommer. «Ich war gerade gut unterwegs», sagt sie selbst, «natürlich ist diese Verletzung eine blöde Sache, vor allem auch, weil sie sehr unerwartet kam.»

Julia Schassberger begann schon als kleines Mädchen mit dem Fussball. Wie ihr älterer Bruder begann sie beim FC Aarwangen. Mit elf Jahren kam sie ins Team Oberaargau Emmental, es war ein erster kleiner Schritt Richtung Spitze. Mit den Jungs des Auswahlteams spielte sie im nationalen Spitzenfussball bis zur U-16. «Dort spürt man, dass die männlichen Kollegen in Sachen Physis, Zweikampfstärke und Schnelligkeit einfach überlegen sind, das kann man nicht verhindern», erinnert sich Schassberger. Der nächste logische Schritt wurde Tatsache, sie schloss sich den Frauen des BSC Young Boys an.

Neue Ausbildungslösung

Das war im Sommer 2016, Schassberger, ein «Millenniums-Kind», war eben 16-jährig geworden. Bei YB begann sie vornehmlich im U-19-Team des Vereins, ab und an gab es einen Einsatz in der Nationalliga A. Bei den Bernerinnen werden Talente aus den eigenen Reihen früh in die Verantwortung genommen, Schassberger ist nur eines von vielen Beispielen. Die Einsätze häuften sich ab dem vergangenen Sommer, sie spielte nun regelmässig im Team der Nationalliga A, sie trainierte am Donnerstag-morgen mit der U-16 des Clubs, um weitere Fortschritte zu erzielen. Im Winter wurde sie auch formell ins NLA-Kader aufgenommen, trainierte seither zusätzlich am Dienstag mit der U-15.

Sie spürte, wie die Anforderungen und die zeitliche Belastung stiegen, und sie reagierte darauf mit einem Schulwechsel. Im Gymnasium war es schwierig geworden, alles zu koordinieren, sie entschloss sich, nun an der Handelsschule Feusi eine KV-Ausbildung zu beginnen. Zwei Jahre wird sie dort zur Schule gehen, dann folgt ein eineinhalbjähriges Praktikum und abschliessend ein halbes Jahr schulische Vorbereitung auf die Abschlussprüfung.

Die Zukunft war also geregelt und abgestimmt auch auf die zu erwartende sportliche Entwicklung. Diese sollte in diesem Sommer auch ein grosses Highlight mit sich bringen, die U-19-Europameisterschaft im eigenen Land. Diese wird Julia Schassberger nun verpassen, was bitter ist, sie aber nicht aus der Bahn werfen wird. «Ich versuche immer, die Dinge von der positiven Seite zu sehen. Ich werde bestimmt alle Spiele meines Teams im Sommer besuchen und auf andere Weise meine Unterstützung geben. Schliesslich fühle ich mich immer noch als Teil des Teams.»

Das EM-Ziel Halbfinal

Das ist selbstverständlich so – und auch deshalb hat sie mit Interesse die Auslosung zu dieser EURO verfolgt. «Spanien und Frankreich sind Teams, die auf dieser Stufe schon Titel gewonnen haben. Wir sind nicht die Favoritinnen, aber wir wollen versuchen, eines dieser Teams zu schlagen, denn unser hohes Ziel ist die Qualifikation für den Halbfinal.» Schassberger gewann in den bisherigen Testspielen den Eindruck, dass die Entwicklung stimme, dass «wir als Team immer besser zusammenfanden und die Spielphilosophie mehr und mehr verinnerlichten». Zuletzt manifestierte sich das in einem 1:1 im Testspiel gegen die USA – ein Achtungserfolg, der nicht nur Nationaltrainerin Nora Häuptle Freude und Mut machte.

Ein weiteres sportliches Ziel Schassbergers war die Qualifikation für die Champions League mit dem BSC Young Boys. Der zweite Platz hätte dazu gereicht und war das grosse Ziel der Bernerinnen. Doch der Zweikampf an der Spitze war eine Sache zwischen den FC Zürich Frauen und dem FC Basel 1893. YB belegt mit deutlichem Abstand Rang 3. «Es wird wohl nicht reichen», weiss Schassberger, die vor allem die mangelnde Konstanz als Grund nennt. «Wir können eine schöne Serie von drei Siegen in Folge abliefern, um dann mit einer schwächeren Leistung wieder einen Rückschlag zu erleiden.» Die Jugendlichkeit des Teams von Marisa Wunderlin mag hier eine gewisse Rolle spielen.

Julia Schassberger wird nun den Alltag der Rehabilitation kennenlernen. «Ich versuche, vorwärts zu schauen und Schritt für Schritt das Knie wieder aufzubauen. Sicherlich werde ich in dieser Zeit auch im mentalen Bereich arbeiten.»

(ds)